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"Kragenträger an der Uni Passau"

Für unsere Leseratten und Philosophen

Moderator: Basti006

"Kragenträger an der Uni Passau"

Beitragvon Rhea » 12.01.2006 18:31

Hallo ihr!

Habe heute diesen Text in der Uni gelesen, und denke, der sollte einem breiteren Publikum zugeführt werden ... hab mich jedenfalls total weggeschmissen vor Lachen:

Quelle: http://passau.spassmobil.org/log/index. ... more=1&c=1



11.01.06



orti | 13:50

Dies ist ein Aufruf, liebe Studenten: Lebt wie Studenten. Seht aus wie
Studenten. In Passau hat man das leider bitter verlernt.


Es scheint die schönste Sache der Welt zu sein. Wenn man das erste Mal vorm
Spiegel steht und Hand anlegt, wenn der Kleine nach oben ragt, ganz steif
und fest - das muss unbeschreiblich sein. Endorphine – so heißt´s –
peitschen durch den Körper, und du hast das Gefühl, der Größte zu sein.
Richtig potent eben. Du kannst es alleine machen, zu zweit oder auch in der
Gruppe. Allerdings ist es ratsam, anfangs ein wenig zu üben, damit der treue
Kamerad nicht schlaff macht beim ersten Herzeigen. Wovon ich rede? Vom
Hemdkragenhochstellen, versteht sich. Gerade hier in Passau hat sich dafür
eine breite Anhängerschaft gefunden. Erst waren es einzelne, aber
mittlerweile gibt es da eine eigene Rasse, die species krago alto. Der eine
sieht den anderen, und sofort scheint ein unsichtbares Band geflochten. „Ah,
du auch“, denkt man sich und nickt dem anderen wissend zu. Der Kragen
scheint für manche eine Art Persönlichkeitsspender zu sein, so wie für Clark
Kent sein Cape. „Mit liegendem Kragen bin ich nur Olaf Armewurst, aber mit
hochgestellten Kragen, da bin ich Super-Armewurst.“ Ganz im ernst, solche
Helden braucht das Land, und ich bin froh, in Deutschlands Metropolis wohnen
zu dürfen.

Wäre das postpubertäre Kragengeklappe allerdings alles, dann gäbe es diesen
Artikel nicht. Es geht hier mehr um einen fundamentalen Aufruf, zurück zu
einem vernünftigen Studentenleben zu finden. Passau gilt als Elite-Uni, und
das nicht ganz zu unrecht. Unsere Universität hat einen exzellenten Ruf im
In- und Ausland, rangiert für Jura an der Spitze Europas und bietet mit Kuwi
und Kuwi-BWL sogar Studiengänge an, die in dieser Form nur an der Hochburg
Passau zu studieren sind. Das ist schön, und würde sich das Elitäre
ausschließlich auf die Institution „Uni“ beziehen, wäre alles bestens.
Dummerweise möchten hier aber viele Studenten das Elitäre personifizieren,
Teil werden eines erlesenen Zirkels pseudo-privilegierter Schöngeister. Geht
man durch die Uni, hat man das Gefühl, auf der Champs-Elysées zu
promenieren. Wo man auch hinschaut, man sieht zutiefst gestylte
„Adoleszenten“ - nonchalant plaudernd, leger schlendernd oder ausgeflippt
Unfug treibend. Was für eine heile Welt. Männer schleimen ihre Haare mit
Baumharz oder Motoröl zurück, manche Frauen tragen soviel Make-up, das sie
dem Steinbeißer der unendlichen Geschichte ähneln. Und das alles für die
Uni, Respekt. So sitzt unsere kleine Elite dann in der Cafeteria und kichert
über geistige Blähungen, die so witzig sind wie der Immobilienteil der FAZ.
Das entspricht wiederum einem alten Naturgesetz: Wer bei der Verteilung der
Barbour-Jacken in der ersten Reihe stand, der kann nicht auch bei der
Vergabe des Humors die Trümpfe in der Hand haben.

Was uns direkt zum modischen Chic führt, zur Passauer „Uni“-form: Oben
erwähnte Jacke, ein blaues Hemd im Winter und ein rosa Hemd im Sommer. Ob
nun uni oder kariert, das bleibt jedem selbst überlassen. Manch Revoluzzer,
manch Mode-James Dean trägt das Hemd sogar über der Hose, aber das passiert
recht selten. Kürzlich habe ich einen feschen jungen Mann in einem rosa
Polo-Shirt gesehen, dessen Kragen seinen halben Kopf umhüllte. Um den Hals
trug er noch eine locker gebundene Krawatte und um den Oberkörper einen
zusammengedrehten Pulli - so wie eine Schärpe. Er sah so erbärmlich aus, der
Kleine, ich wollte ihn schon in den Arm nehmen und trösten, ihn einfach mal
drücken. Manchmal drängt sich mir jedenfalls das Gefühl auf, in Passau
herrsche eine Art Kastensystem - und die Knotentänzer und
Seidenhalstuch-Tragenden (auch Männer) scheinen in der obersten Kaste
angesiedelt. Sie meinen, das nötige savoir vivre zu haben, und glauben,
gegenüber den unteren Kasten zu schillern, wie eine dänische Dogge neben
einem kastrierten Zwergpekinesen.

Für die oberste Kaste gibt es allerdings noch ein weiteres
Zulassungskriterium. Kommen wir zum Statussymbol schlechthin, dem
Seismographen der Etikette und der Legitimation, sich Brandon, Dillon, Kelly
oder Donna nennen zu dürfen, kommen wir zu dem Objekt, welches zeigt, was
Mann in der Hose und Frau in der Bluse hat, kommen wir zum Auto. BMW,
4er-Golf, Audi oder Mercedes, das ist die Klasse - Cabrio, versteht sich.
Müde belächelt werden die, die sich aus einem Fiesta schälen oder ihren
Punto zur Uni schieben. Es sollen sogar Sozialmutanten gesichtet worden
sein, die auf seltsamen Zweirädern zur Uni kamen - grotesk. Ich für meinen
Teil habe mir nun eine Rikscha samt Läufer aus Asien einfliegen lassen und
bin wirklich gespannt, wie ich damit ankomme.

Zu pauschal, werden viele denken, zu einseitig diese Kritik. Natürlich ist
sie das! Hier wurde gnadenlos verallgemeinert und übertrieben, aber nur um
den von mir empfundenen Missstand deutlicher zu machen. Ich bin sicherlich
kein Öko und hätte ebenso wenig Lust, nur mit Müslis und Hippies zu
studieren, die in der Vorlesung ihren Fencheltee trinken und ihre Kinder
stillen. Nur hier in Passau ist die oben skizzierte Kragen-Gruppe die
auffälligste, und daher wurde auch sie Opfer dieser Glosse. Um den Kern
dieses Artikels also herausfiltern, möchte ich abschließend eine kleine
Rhetorik-Anleihe bei Martin Luther King machen:
Ich habe den Traum, dass ich eines Tages über unseren Campus laufe, und auf
der Wiese sitzen verfilzte Rastas, die „Puff the Magic Dragon“ singen und
einen riesigen Dübel rauchen. Ich habe den Traum, dass ein paar Meter weiter
einige Vieraugen einen selbstgebauten Roboter über das Gelände steuern, sich
aus Freude über ihr Werk zu den Rastas setzen und kräftig mitfeiern. Ich
habe den Traum, dass die Blauhemden irgendwann einmal die Angst vor
Grasflecken am Höschen verlieren, die Krägen anlegen und den Roboter der
Vieraugen zur Tanke steuern, um für alle Bier zu kaufen. Alle „Kasten“
sollen zusammen Kästen trinken. Ich habe den Traum, dass der Student auch in
Bars geht, wo Passauer zu finden sind, und dass der Passauer nicht alle
Lokalitäten meidet, wo Studenten sind. Kurz: Ich habe den Traum, dass es bei
uns eines Tages eine interessante Vielfalt gibt, nicht mehr diese lähmende
Uniformität. Ich habe den Traum, dass unsere Uni eines Tages zur
Charakter-Uni wird, weg von der Elite-Uni, die es momentan mehr denn je zu
sein scheint.
Rhea
 

Beitragvon boesis » 12.01.2006 18:42

Dazu sag ich nur: Prost
:bia:
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Beitragvon Taroko » 12.01.2006 19:31

hehe, das wird auch jedes Semester mal wieder rausgekramt :D

Original ist, glaub ich, schon ein wenig älter ('96/99? weiß nimmer genau), trotzdem noch recht amüsant (wenn auch nimmer derart zutreffend wie früher *grins*)
Es nützt der Freiheit nichts, dass wir sie abschaffen, um sie zu schützen. - Benjamin Franklin
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Beitragvon kentucky » 13.01.2006 09:44

sehr amüsant und irgendwie doch sehr wahr ;)
am besten find ich noch die, die mir draußen zu fuß entgegenkommen mit blauen ohren, die keine mütze aufziehen um die frisur nicht kaputt zu machen *g*
kentucky
 


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